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von Nele Pollatschek | von Nele Pollatschek | ||
- | ★★★★★ | + | ★★★☆☆ |
===== Eindrücke ===== | ===== Eindrücke ===== | ||
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+ | Kleine Probleme, große Fragen. | ||
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+ | Nele Pollatschek hat mit ihrem zweiten Roman " | ||
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+ | Als Journalist für eine kleine Zeitung kann ich mich gut mit Lars identifizieren. Auch ich kenne das Gefühl, immer mehr zu wollen, als ich schaffen kann. Auch ich habe oft das Bedürfnis, mein Leben zu ordnen, bevor ich mich an mein Lebenswerk wage. Und auch ich frage mich manchmal, ob ich nicht zu viel Zeit mit Nebensächlichkeiten vergeude, statt mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. | ||
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+ | Pollatschek erzählt Lars' Geschichte mit viel Humor, Tragik und Philosophie. Sie nimmt uns mit in sein chaotisches Haus, seine komplizierte Familie und seine unerfüllten Träume. Sie zeigt uns, wie er sich mit perfekten Kindern und unperfekten Eltern, mit Liebe, kleinen Schrauben und großen Werken auseinandersetzt. Sie lässt uns an seinen Gedankensprüngen, | ||
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+ | Der Schreibstil von Pollatschek ist spritzig, witzig und klug. Sie schreibt in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Lars, der uns seine Gedanken und Gefühle direkt und unverblümt mitteilt. Sie verwendet viele Anspielungen, | ||
Lars, neunundvierzigjähriger Vieldenker und angehender Schriftsteller und notorischer Aufschieber. Dummerweise kenne ich die Art von Aufschiebertum, | Lars, neunundvierzigjähriger Vieldenker und angehender Schriftsteller und notorischer Aufschieber. Dummerweise kenne ich die Art von Aufschiebertum, | ||
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Pollatschek schreibt in einer ausuferenden Abfolge von Gedanken über die kleinen Aufgaben, die Lars an dem einen Tag, den wir ihn begleiten. Gedanken, Geiseltum, Philosophisches. Wie gesagt: dummerweise ertappe ich mich bei dem ein oder anderen tatsächlich, | Pollatschek schreibt in einer ausuferenden Abfolge von Gedanken über die kleinen Aufgaben, die Lars an dem einen Tag, den wir ihn begleiten. Gedanken, Geiseltum, Philosophisches. Wie gesagt: dummerweise ertappe ich mich bei dem ein oder anderen tatsächlich, | ||
- | In meinem Kopf liest mir das Buch außerdem Bjarne Mädel | + | In meinem Kopf liest mir das Buch außerdem Bjarne Mädel |
Das Buch ist kurz. Ob es kurzweilig ist - keine Ahnung. Die Sätze sind manchmal Fetzen, manchmal Bandwurm. Es ist nicht schwer lesbar. Mittelmäßig verdaubar. Unterhaltend vom Selbstschmerz der Figur, und doch auch irgendwie tragisch. | Das Buch ist kurz. Ob es kurzweilig ist - keine Ahnung. Die Sätze sind manchmal Fetzen, manchmal Bandwurm. Es ist nicht schwer lesbar. Mittelmäßig verdaubar. Unterhaltend vom Selbstschmerz der Figur, und doch auch irgendwie tragisch. | ||
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+ | ===== Zitate ===== | ||
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+ | Das Wetter in der Erinnerung ist wie die Musik beim Film, wird alles im Schnitt druntergelegt. Wenn man glücklich war, dann schien die Sonne, und wenn Herzen brachen, dann peitschte der Regen, dann Blitze und Donnerkrachen, | ||
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+ | Ich weiß, dass ich nichts habe, das müssen mir die Kinder nicht immer sagen, kein Sexismus oder so strukturellen Rassismus, keine Behinderung, | ||
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+ | Man kann sich das Leben nehmen oder man kann jemandem das Leben schenken, aber beides geht nicht. | ||
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+ | Bedingungslose Liebe ist einfach, Zahnarzttermine sind schwer. Das Rezept für die Brille und diese komischen Einaugenpflaster abzuholen ist schwer. Die Antibiotika gegen die Mittelohrentzündung wirklich jeden verdammten Morgen zu geben. Die Wäsche nicht in der Maschine vergammeln zu lassen, donnerstags an den Turnbeutel zu denken, sich daran zu erinnern, dass doch dieses Halbjahr Schwimmunterricht ist, das Kind zum Reiten zu fahren und es um Gottes willen danach wieder abzuholen, das Kind nicht immer irgendwo stehen zu lassen, nicht immer irgendwas zu vergessen, das alles zu kontrollieren, | ||
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+ | Überall heißt es, man solle toxische Beziehungen beenden, aber wie ich mich von mir selbst trenne, das hat mir wirklich noch keiner erklärt. | ||
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+ | Vielleicht kann ich deshalb nicht schreiben, weil mir das nötige Trauma fehlt. Aber eigentlich hat Alfred das schon ziemlich gut gemacht, und das sage ich nicht nur, weil man seinen Eltern ja wirklich gar nichts mehr vorwerfen kann, sobald man selber Kinder hat. |