GoldWiki

Thomas' Digitaler Garten



Wie wir digitale Medien nutzen, verändert sich die ganze Zeit. Alle paar Jahre erleben wir aber einen fundamentalen Umbruch in der Art und Weise, wie Inhalte und Informationen verteilt werden. Aktuell ist wieder so ein Moment. Grund dafür ist der anhaltende Siegeszug von TikTok. Oder besser gesagt: vom Prinzip TikTok.

Dass die App so erfolgreich werden konnte, hängt nicht so sehr damit zusammen, dass Leute gern kurze, lustige Videos gucken. TikTok verändert die Medienwelt deshalb so radikal, weil die Macher mit einem Konzept gebrochen haben, das fast 20 Jahre lang das Internet strukturiert hat: das Follow-Prinzip.

Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Dekade: der Dekade von Recommended Media und damit auch dem Tod der Follower.

Medienmacherïnnen stehen aber nicht nur deshalb vor enormen Herausforderungen. Hier eine kleine Sammlung:

  1. Der Wandel von Social zu Recommend Media bedeutet, dass sie keinerlei Gewissheit mehr haben, ob ihre Inhalte beim Publikum landen.
  2. Der Video-Boom sorgt für zusätzliche Kopfschmerzen, haben doch längst nicht alle die Skills und Ressourcen, um Videos zu produzieren.
  3. Zudem lässt sich über Video nichts verdienen: Weder über Anzeigen noch über Klicks. Betrug der Traffic via Facebook in vielen Häusern über viele Jahre um die 20 bis 30 Prozent, verbuchen sie heute über TikTok nur noch um die 1 Prozent Traffic.
  4. Durch das veränderte Nutzungsverhalten der User sind Legacy Social-Media-Plattformen nur noch ein Teil der Social-Erfahrung. Verlage haben aber nicht die Power, um auf allen Plattformen gleichzeitig mitmischen zu können.
  5. Zudem verlieren Verlage Anschluss ans Publikum. Wenn die Feeds dieser Welt zunehmend passiv genutzt werden und sich Diskussionen und Gespräche in Messenger und Gruppen verlagern, dann lässt sich das für Dritte nicht mehr nachvollziehen. Weder quantitativ noch qualitativ.
  6. Auch nach gut 20 Jahren haben Verlage noch nicht verstanden, wie wichtig es ist, Communities aufzubauen. Social Media wurde lange Zeit als One-Way gedacht. Das alte Sender-Empfänger-Modell. Wie wichtig es aber ist, Menschen nachhaltig an die eigene Marke zu binden, wurde unterschätzt.
  7. Auch wurde es vielerorts verpasst, Köpfe aufzubauen. Wer als Journalist oder Journalistin in den sozialen Medien aktiv ist, tut dies oft auf eigene Faust. Die investierte Zeit ist in der Arbeitszeit nicht vorgesehen. Das passiert en top. Genau das ist es aber, was dem Journalismus hilft. Und es ist auch das, an was sich die Menschen gewöhnt haben. Influencer und Creator leben es vor.
  8. Zudem zeigen Tech-Giganten wie Facebook und X, dass sie keine verlässlichen Partner sind. Während sich das ehemalige Twitter in eine Jauchegrube rechtsextremer Verschwörungsideologen verwandelt, hat sich Meta dazu entschieden, News immer weniger Raum auf den Plattformen zu geben. Mit Journalismus lässt sich einfach zu wenig verdienen.
  9. Last but not least sorgt die KI-Revolution dafür, dass Journalismus an drei zusätzlichen Fronten herausgefordert wird:

a) finden Menschen zunehmend Antworten auf ihre Frage, ohne dass sie auch nur einmal einen journalistichen Artikel selbst gelesen habe. Angebote wie ChatGPT und Googles Search Generative Experience machen es möglich.

b) gibt es eine Flut an zusätzlichen Inhalten, gegen die sich journalistische Angebote durchsetzen müssen.

c) träumen die Plattformen bereits davon, dass sie ihren Usern KI-Angebote servieren können, die aus ihrer Sicht das beste aus den vergangenen zwanzig Jahren vereinen: ein Algorithmus, der so gut ist, dass Menschen passgenau das angezeigt wird, was sie sich wünschen, wobei es völlig egal ist, ob der Inhalt von einem Menschen stammt oder von einer KI – hauptsache die Leute verbringen weiterhin maximal viel Zeit auf ihren Plattformen.

— Quellen: Martin Fehlenden


digital/social-content-graph.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/27 11:39 von thomasgigold